Viele Menschen wärmen sich vor körperlichem Training auf. Oftmals hört man Aussagen wie: „Das macht man einfach so!“, „Aufwärmen beugt Verletzungen vor!“ oder „Die Fußballnationalmannschaft wärmt sich ja auch auf.“. Nach Röthig dient das Aufwärmen der Herstellung einer optimalen psycho-physischen Verfassung vor sportlichem Training oder Wettkampf. Diese wird durch eine „Verbesserung der allgemeinen organischen Leistungsbereitschaft“, eine „Verbesserung der koordinativen Leistungsbereitschaft“ und eine „Optimierung der psychischen Leistungsbereitschaft“ erreicht (1). Mehrere Autoren sprechen dem Aufwärmen den Effekt der Verletzungsprophylaxe zu (2).
Doch stimmt dies alles? Was passiert, wenn wir uns aufwärmen?
Ein zentraler Effekt des allgemeinen aktiven Aufwärmens ist die Erhöhung der Körpertemperatur. Dabei wird eine Körperkerntemperatur von 38,7 °C als Optimaltemperatur angesehen. Die Erhöhung der Körperkerntemperatur stellt eine optimale Voraussetzung für verschiedene physiologische Mechanismen dar. Nach der Reaktions-Geschwindigkeits-Temperatur-Regel (RGT-Regel) lässt sich pro 1 °C Körperkerntemperatur-Erhöhung ein dreizehnprozentiger Anstieg ablaufender Stoffwechselvorgänge für eine verbesserte Sauerstoff- und Substratversorgung beobachten (2). Auch eine verbesserte Glukose-Aufnahmefähigkeit der Muskulatur konnte bereits gezeigt werden (3). So kann der Muskel leichter Energie gewinnen. Durch die Erhöhung der Körpertemperatur lässt sich laut Weineck (2) eine zwanzigprozentige Steigerung der Reaktions- und Kontraktionsgeschwindigkeit durch eine zentralnervöse Erhöhung der Erregbarkeit bei einem Temperaturanstieg von 2 °C finden. Damit einhergehend sorgt eine Sensibilitätssteigerung sensomotorischer Sinnesrezeptoren (Muskelspindel, Hautrezeptoren) für eine Verbesserung der koordinativen Leistungsfähigkeit und damit für eine Präzision sportlicher Bewegungen. Weiterhin den verletzungsprophylaktischen Effekten zugeordnet werden die Abnahme von elastischen und viskösen Widerständen im aktiven und passiven Bewegungsapparat sowie die vermehrte Produktion synovialer Gelenkflüssigkeit infolge einer durch muskuläre Aktivität erhöhten Gewebstemperatur (2,3).
Das Aufwärmen gilt als eine der am häufigsten empfohlenen Maßnahmen zur Verletzungsprophylaxe (4). Die Studienlage ist jedoch weniger eindeutig – es gibt nur wenige gut angelegte, kontrollierte Studien. Fradkin und Kollegen (5) stellten in einem Review die Ergebnisse von fünf validen Studien zusammen, die den Effekt eines Aufwärmens zur Reduktion des Verletzungsrisikos untersuchten. Drei der fünf Studien konnten eine deutliche Reduktion des Verletzungsrisikos für Aufwärmmaßnahmen zeigen, während die anderen beiden Studien keinen signifikanten Effekt sichtbar machten. Die Autoren beschreiben die Studienlage bislang als unzureichend. Alles in allem konnte bisher noch nicht konkret gezeigt werden, dass das Aufwärmen Verletzungen vorbeugt. Ein signifikant positiver Einfluss von Aufwärmen auf die Leistungsfähigkeit konnte allerdings bereits in mehreren qualitativen Studien gezeigt werden (6).
Literatur
1 Röthig, Prohl Sportwissenschaftliches Lexikon, Schorndorf 2004
2 Weineck, J. (2010). Sportbiologie. 10.überarbeitete Aufl. Balingen: Spitta Verlag
3 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18380005
4 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4203844/
5 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16679062
6 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19996770
Source: Sascha Molt
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