„Bauch-Training“, „Core-Training“, „Core-Workout“, „Funktionelles-Rumpf-Training“, „Six-Pack-Workout“…diese Liste ließe sich noch ewig fortführen. All diese Begriffe, die oft synonym benutzt werden, beschreiben ein Training unseres Rumpfes (Kern = engl. Core). Unser Rumpf stabilisiert unsere Wirbelsäule und leitet erzeugte Kraft weiter.
Wir alle haben schon einmal den ein oder anderen Sit-up gemacht.
Ein gut ausgebildeter Rumpf steht für einen gesunden Rücken, Schmerzfreiheit und gute sportliche Performance.
Mittelweile ist daraus ein riesiger Markt entstanden. Es gibt unzählige Trainingsgeräte und Übungen, die speziell unsere Rumpfkraft oder -stabilität (unsere „Core-Stability“) trainieren können bzw. sollen.
Ein Core-Training verspricht meist folgende Dinge:
- Der Core ist das Zentrum unseres Körpers und sollte spezifisch trainiert werden
- Schwache Rumpfmuskulatur führt zu Rückenschmerz
- Es gibt einen Zusammenhang zwischen Core-Training und sportlicher Performance
Doch ist ein solches „spezifisches“ Training der Rumpfmuskulatur, also des Cores, überhaupt sinnvoll?
Der Core ist das Zentrum unseres Körpers und sollte spezifisch trainiert werden
Schaut man sich verschiedene Quellen und Studien an, fällt einem etwas Interessantes auf: Es gibt nicht den einen „Core“ oder den einen „Rumpf“. Der Rumpf wird genauso vielfältig definiert wie er benannt wird. Die Autoren Akuthota und Nadler (1) beschreiben den „Core“ als eine Art Box um die Wirbelsäule. Jakubek (2) bezeichnet den Teil des Körpers als „Core“, der den Körperschwerpunkt umgibt. Verstegen & Williams (3) schreiben, dass der „Core“ grundlegend ein Teil einer Kette ist, die durch den ganzen Körper verläuft. Bereits hier könnte man die Sache beenden. Woher soll man wissen, wie man etwas gut trainiert, wenn sich weder Fitness-Gurus noch Wissenschaftler einig sind, was es überhaupt genau ist?
Die meisten definieren die Muskeln des Rumpfes als die sog. globalen Muskeln und die lokalen Muskeln. Während die globalen Muskeln unseren Körper bewegen sollen, sind die lokalen Muskeln eher für die Stabilisation einzelner Wirbelsegmente zuständig, da diese direkt an der Wirbelsäule ansetzen (4). Oft wird somit auch von einer oberflächlichen Rumpfmuskulatur gesprochen (z.B. der Musculus rectus abdominis, das „Six-Pack“) und einer tieferen Rumpfmuskulatur (z.B. Musculus Iliocostalis). Mit den verschiedensten Übungen wurde nun in der Vergangenheit versucht, bestimmte Teile der Rumpfmuskulatur, die als besonders wichtig angesehen wurden, separat zu trainieren und zu stärken. Weder die Einteilung noch ein spezielles Training dieser Muskulatur beruht allerdings auf aussagekräftigen Studien.
Ledermann sagt: ‘‘Such classification is anatomical but has no functional meaning. (…)The division of the trunk into core and global muscle system[s] is a reductionist fantasy, which serves only to promote CS [core stability]’’ (5). Auch dass „der Core“ auf bspw. instabilen Untergründen speziell trainiert werden muss ist ein Mythos. Studien, welche meinen, eine erhöhte Muskelaktivität bei dieser Art von Übungen zu messen, haben oft sehr große methodische Probleme. Auch konnten keine Interventionsstudien einen signifikanten Unterschied zwischen Übungen auf bspw. instabilen Untergründen und normalen Übungen zeigen, welche solch ein spezielles Core Training rechtfertigen könnten (6,7).
2 Schwache Rumpfmuskulatur führt zu Rückenschmerz
Selbst diese These ist schwer zu untermauern. Auch wenn es einige Studien gibt, welche eine Verbesserung von Rückenschmerz nach einem Training der Rumpfmuskulatur finden konnten, gibt es auch hochwertige Studien, welche in eine andere Richtung zeigen. Wie bspw. ein sehr aktuelles Review aus dem Jahr 2016. Saragiotto et al. schlossen 32 Studien mit 2628 Probanden in ihre Untersuchung ein (8). Die Forschungsgruppe fand lediglich niedrige bis moderate Evidenzen für die positive Auswirkung eines Rumpftrainings auf Rückenschmerz – sowohl kurz- als auch langfristig. Auch andere Autoren kommen zu dem Schluss, dass es in Bezug auf die Verbesserung von Rückenschmerz keinen Unterschied zu anderen Therapieformen oder einem normalen Training gibt (8, 9, 6). Unzählige Athleten haben eine immens große Rumpfkraft und werden dennoch von Rückenschmerz geplagt. Aber das wohl beeindruckenste Beispiel kommt aus Studien mit schwangeren Frauen. Während der Schwangerschaft werden durch die Dehnung des Bauches bestimmte Rumpfmuskeln (wie bspw. der Musculus Transversus abdominis) nahezu unbrauchbar. In einer Studie mit 318 schwangeren Frauen wurde unter anderem deren Fähigkeit getestet, einen Sit-up durchzuführen. Während alle Frauen im nicht-schwangeren Zustand einen Sit-up durchführen konnten, konnten dies im schwangeren Zustand über 16% der Frauen nicht mehr. Es wurde keinerlei Korrelation zwischen Sit-up Performance und Rückenschmerz gefunden (10,11).
3 Es gibt einen Zusammenhang zwischen Rumpfstabilität und sportlicher Performance
Unsere Rumpfmuskulatur stellt eine der wichtigsten Säulen für athletische Performance dar. Ohne einen stabilen Rumpf können wir die meisten Bewegungen nicht ausführen und wesentlich weniger Kraft produzieren und weiterleiten. Gerade deshalb wird dem Core-Training im Sport oft ein hoher Stellenwert zugesprochen. Bisher gibt es allerdings keine Studien, welche einen Vorteil des sog. Core-Trainings (bspw. auf instabilen Untergründen) gegenüber normalen Ganzkörperübungen zeigen konnten. Auch gibt es keine Studien, die zeigen, dass sich durch ein Core-Training weniger Verletzungen in der jeweiligen Sportart ergaben (7).
Zusammenfassung:
Das oft hoch angepriesene Core-Training hält nicht das, was es verspricht. Ja, man kann mittels Core-Training Muskeln aufbauen und diese zu nutzen lernen, allerdings ist es dabei einem normalen Training mit komplexen Übungen (Kniebeuge, Kreuzheben, usw.) nicht, wie oft gedacht, überlegen. Deshalb sollte der Fokus beim Training auf funktionellen Ganzkörperübungen liegen. Das spart dir Zeit, lässt sich besser auf Sport und Alltag übertragen (und ist ohnehin sinnvoller). Behm et al. sagen dazu treffend:
For athletes and nonathletes at all levels, ground-based free-weight lifts should form the foundation of exercises to train the core musculature. Such closed chain lifts are char- acterized by moderate levels of instability that allow for the simultaneous development of upper and lower extremity strength, thereby addressing all links in the kinetic chain (6).
1 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15034861
3 Verstegen, M. & Williams, P. (2007). Core Performance. Das revolutionäre Workout Programm für Körper und Geist. (5.Aufl.). München: Riva. Kibler, W. et. al. (2006). The Role of Core Stability in Athletic Function. Sports Med. 36 (3). 189-198
6 http://www.faculty.mun.ca/dbehm/APNM_LIt_review_2010.pdf
7 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27475953
4 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10688954
5 http://www.cpdo.net/Lederman_The_myth_of_core_stability.pdf
8 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27128390
9 http://www.luzimarteixeira.com.br/wp-content/uploads/2010/07/exercise-therapy-for-low-back-pain.pdf
10 http://www.cpdo.net/Lederman_The_myth_of_core_stability.pdf
11 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2139238
Source: Sascha Molt
0 Kommentare